Titel: 

Flying Doctors: Kampf um ein junges Leben I und II
Autor:
Martina
E-Mail:
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Kategorie:
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Spoiler:
Diese Story ist völlig unabhängig von der Serie. Sie fängt praktisch ganz neu an, als wenn es die Serie nie gegeben hat. Alle anderen Autoren knüpfen oft an die Geschehnisse aus der Episode "Die Regeln des Lebens" oder anderen Episoden an. Das finde ich auch sehr gut. Aber ich wollte einfach mal was anderes machen. Jetzt will noch ein dickes Lob an alle Mitschreiber aussprechen. Ihr macht das super.
Rating:
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Hauptcharaktere :
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Disclaimer:
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Inhalt:
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A/N:

Jetzt noch eine Anmerkung zu dem Gedicht in dem 2.Teil. Dieses Gedicht kommt nicht von mir. Ich habe mich auf einer Internetseite über Leukämie bei Kindern informiert und bin dabei auf dieses Gedicht gestoßen. Ich fand es so schön, dass ich einfach in diese Story schreiben musste. Von dieser Internetseite kommt das Gedicht: www.krebs-bei-kindern.de

 

 

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Kelly Marshall fängt als neue Krankenschwester in Coopers Crossing beim Royal Flying Doctor Service an. Für sie ist es nach einer schweren Nervenkrankheit der Anfang eines neuen Lebens. Ihre Kollegen sind dort: der Funker D.J., Krankenschwester Kate, die beiden Ärzte Tom Callaghan und Chris Randall, sowie der Pilot Sam Patterson. Nachdem Sie einen Schwächeanfall aufgrund von Überanstrengung und der noch nicht ganz überstandenen Krankheit erlitten hat, ist sie nun, nach einer weiteren Erholungsphase von drei Wochen, bereit für ihr neues Leben in Coopers Crossing.
 

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Das Flugzeug startete. "Aufgeregt?" wurde Kelly von Tom nach einer Weile gefragt. "Nein, wieso?" "Nun ja, wir fliegen auf eine der größten Farmen der Umgebung. Dort geht es ein wenig rau zu." "Das bin ich gewohnt. Ich bin auf einer Farm aufgewachsen." "Ja? Ich dachte, du kommst aus einer Stadt in Queensland?" "Ja, komme ich auch. Mein Vater hatte eine Farm in der Nähe von Charleville bis zu seinem schweren Unfall." "Was war passiert?" "Er wollte einen Traktor reparieren und musste dazu darunter klettern. Irgendwie löste sich plötzlich die Handbremse. Er hatte sie wohl nicht richtig angezogen. Der Traktor überrollte ihn. Mein Vater hatte schwere innere Verletzungen. Er fiel lange aus. Wir konnten uns keine Aushilfen leisten und deshalb die Farm nicht halten. Die Farm musste verkauft werden und wir zogen nach Charleville. Meine Mutter nahm dort einen Job an. Als mein Vater wieder gesund war, nahm er einen Job auf einer anderen Farm an." "Das tut mir leid." "Es braucht dir nicht leid zu tun. Im Grunde genommen war der Unfall sogar zu was nütze." "Wieso das?" "Sonst wäre ich heute nicht hier. Als der Unfall passierte riefen wir natürlich den RFDS. Diese Arbeit hat mich so fasziniert, das ich unbedingt Krankenschwester dort werden wollte." "Tja, wozu manche Ereignisse im Leben jemanden bewegen können. Leben deine Eltern noch in Charleville?" "Ja, sie haben sich inzwischen zur Ruhe gesetzt und genießen ihr Leben." "Hast du denn auch Geschwister?" "Ich habe noch eine ältere Schwester namens Amanda. Sie ist verheiratet, hat eine kleine Tochter, Susan, und wohnt mit ihrer Familie in Brisbane. Jetzt hast du mich aber genug ausgefragt. Wir drehen den Spieß jetzt mal um. Wo bist du aufgewachsen?" "Oh, ich bin ganz normal in einem kleinen Reihenhaus in Sydney aufgewachsen. Ich hatte einen jüngeren Bruder, Stanley." "Hattest?" "Ja, er starb mit fünf Jahren an Krebs." "Oh, das ist ja schrecklich. Wie alt warst du damals?" "Ich war gerade zwölf Jahre alt. Seitdem hatte ich den Wunsch Arzt zu werden." "Dann resultiert dein Berufswunsch also auch aus einem Ereignis deiner Vergangenheit. Wie geht es deinen Eltern heute?" "Mein Vater starb vor drei Jahren an einem Herzanfall. Und meine Mutter lebt immer noch in dem Reihenhaus, wo ich aufgewachsen bin und genießt ihren Lebensabend." "Was hat dein Vater beruflich gemacht?" "Er war einfacher Fabrikarbeiter. Dementsprechend war eigentlich auch nie viel Geld da, und so musste ich mir das Studium selbst mit Jobs finanzieren." "Aber, wie man sieht, hast du es geschafft. Sonst würden wir uns jetzt nicht unterhalten." "Schnallt euch bitte an, wir landen." kam auf einmal eine Stimme aus dem Cockpit. Sie hatten durch die Unterhaltung gar nicht mitbekommen, wie die Zeit verging. Sam setzte zur Landung an.
Sie wurden bereits an der Landebahn erwartet. Philip Johnson stand vor seinem Landrover. Als die Maschine zum Stehen kam, lief er darauf zu, um die Tür zu öffnen. Kelly stieg als erstes aus. "Guten Tag!" wurde sie von Mr. Johnson begrüßt. Kelly hatte mehrere Taschen in der Hand. "Warten sie, ich nehme ihnen was ab." "Oh danke."
Sie bauten auf der Veranda alles für die Kliniktour auf. Philip Johnsons Frau Mary kam mit einem Tablett Eistee. "Möchten Sie noch eine kleine Erfrischung, bevor sie anfangen Dr. Callaghan?" "Nein danke Mary für mich nicht. Wie sieht's bei Dir aus Kelly?" "Oh, nein danke. Vielleicht später Mrs. Johnson. Wir erwarten viele Patienten heute." Kaum hatte sie es ausgesprochen fuhr auch schon der erste Wagen vor. Sie hatten viel zu tun. Blutdruck und Blutzucker messen, Verbände wechseln und vieles mehr. Es war alles Routine, bis ein Funkspruch aus Coopers Crossing kam.
"Victor Charly Charly ruft Johnson Station. Johnson Station bitte kommen." "Hier ist Mary Johnson. Was ist los D.J.?" "Mary, geben sie mir bitte ganz schnell Dr. Callaghan." Philip Johnson, der mitgehört hatte, ging auf die Veranda. "Dr. Callaghan, sie werden dringend am Funk verlangt. Es ist die Zentrale." rief er. Tom sah hoch. Er behandelte gerade einen jungen Mann, der sich beim Reparieren eines Zaunes an der Hand verletzt hatte. "Legst du den Verband an, Kelly. Ich bin gleich wieder da." Tom ging zum Funkgerät.
"Hier ist Tom. Was gibt es D.J.?" "Tom ihr müsst sofort die Tour abbrechen. Der 6-jährige Andy Travis ist nicht aufgewacht heute morgen. Er scheint bewusstlos zu sein." "Ja, wir brechen sofort ab. Ich melde mich noch mal, wenn wir im Flugzeug sind."
Tom rannte regelrecht zur Veranda zurück. Das hörte sich nicht gut an. "Kelly, wir müssen abbrechen. Ein Notfall." Kelly hatte den Patienten gerade verabschiedet. "Okay." sagte sie. Sie räumten die Sachen zusammen. Mr. Johnson fuhr sie zum Flugzeug. D.J. hatte Sam schon Bescheid gegeben.
Die Nomad war startbereit. Als sie in der Luft waren, funkte Tom die Zentrale an. Er stellte das Funkgerät auf Lautsprecher, so dass alle mithören konnten. "Also D.J., was genau ist passiert?" "Mrs. Travis wollte Andy heute ausschlafen lassen, da er die letzten Tage immer sehr blass und müde war. Als er um elf Uhr aber immer noch nicht aufgestanden war, wollte sie ihn wecken. Sie bekam ihn nicht wach. Daraufhin sendete sie einen Notruf." "Sag ihr wir sind in ca. einer halben Stunde da."
Tom machte sich Gedanken. Hatte er bei der letzten Sprechstunde irgendetwas an Andy übersehen? Er wirkte dort schon sehr blass und erschöpft. Hätte er doch bloß eine Blutuntersuchung gemacht. Aber seine Mutter meinte, dass es nicht nötig sei. Sie hatte es als leichte Grippe abgetan. Was konnte es nur sein? Warum hatte er sie nicht überredet, doch eine Blutuntersuchung zu machen? Tom machte sich den ganzen Flug über Gedanken.
Als sie auf der Travis-Farm landeten, wurden sie bereits von Jim Davis, einem Mitarbeiter der Travis' erwartet. Sie nahmen schnell alles was sie brauchten und stiegen in den Wagen.
Eine in Tränen aufgelöste Judy Travis erwartete Sie, als sie beim Farmhaus ankamen. Sie führte sie ins Schlafzimmer, wo Andy noch immer regungslos in seinem Bett lag. Tom untersuchte ihn von oben bis unten. Was ihn stutzig machte, waren einige blaue Flecken an seinen Armen und Beinen. Andy hatte außerdem starke Ränder unter den Augen und er hatte sichtlich abgenommen seit er ihn das letzte Mal gesehen hatte. "Mrs. Travis, können sie sich erklären, wo die blauen Flecken herkommen?" "Welche blauen Flecken?" "Hier an den Armen und Beinen." "Nein, keine Ahnung. Die waren gestern noch nicht da. Was ist es Dr. Callaghan? Was hat mein Junge?" Die Verzweiflung stand ihr in den Augen. "Das kann ich ihnen leider nicht sagen, Mrs. Travis. Wir werden Ihn erst mal mit nach Crossing nehmen und dort genauer untersuchen. Dann wissen wir hoffentlich mehr." Andy wurde zum Flugzeug gebracht.
Im Flugzeug kam er zu sich. "Mom? Wo ist Mom? Mom, wo bin ich?" Er wollte aufstehen. Tom, der neben ihm saß drückte ihn sanft zurück. "Du bist im Flugzeug der Flying Doctors. Wir bringen dich ins Krankenhaus nach Coopers Crossing." "Aber warum denn? Mir geht es gut." Judy setzte sich neben ihn. Sie strich ihm über die Wange. "Nein Andy, dir geht es nicht gut. Und deshalb bringt Dr. Callaghan dich nach Coopers Crossing."
Im Krankenhaus angekommen, nahm Kelly ihm sofort Blut ab. Sam sollte es dann nach Brokenhill fliegen und dort solange warten, bis man die Ergebnisse hatte. Andy bekam erst mal eine Infusion, die den Kreislauf anregen sollte. Er schlief den ganzen Tag. Judy Travis wachte die ganze Zeit an seinem Bett.
Chris, Tom und Kelly unterhielten sich über Andy. "Was meinst du, Tom? Was ist es?" fragte Kelly. "Ich weiß nicht. Eine Anämie? Chris, was meinst Du?" "Ich würde auch auf Anämie tippen. Aber der Gewichtsverlust? Im schlimmsten Fall ist es Leukämie." "Das will ich nicht hoffen. Für Mrs. Travis wäre es das schlimmste, wenn sie nach ihrem Mann auch noch den Sohn verliert." "Klärt mich bitte auf. Was ist denn mit Mr. Travis?" "Er hatte vor zwei Jahren einen schlimmen Reitunfall und ist dabei ums Leben gekommen." "Das tut mir sehr leid. Dann wollen wir hoffen, dass es wirklich nur eine Anämie ist." sprach Kelly aus. "Ich sehe mal nach den beiden. Es bringt sowieso nichts, wenn wir hier sitzen und rätseln. Wir müssen die Ergebnisse der Blutuntersuchung abwarten." "Ja Kelly, du hast recht. Wollen wir aber das Beste hoffen." sagte Chris.
Kelly ging zu Andy und Judy Travis. Andy schlief. Judy lag mit dem Kopf und den Armen auf seinem Bett. Sie schien auch zu schlafen. "Mrs. Travis, das ist doch nicht gut für sie. Sie müssen doch mal an die frische Luft." "Nein, ich möchte bei Andy bleiben." "Er ist hier gut aufgehoben. Außerdem schläft er. Kommen sie mit nach draußen. Wir gehen ein wenig im Park spazieren. Im Moment können sie sowieso nichts für ihn tun. Und wenn etwas sein sollte, dann sagt Schwester Jenny uns sofort Bescheid." "Na gut."
"Jenny, wir sind draußen im Park, falls Andy nach seiner Mutter fragt." sagte Kelly, als sie auf dem Weg nach draußen waren. Im Park gingen sie eine Weile schweigend nebeneinander her und setzten sich dann auf eine Bank. "Wird er wieder gesund?" fragte Judy aus heiterem Himmel. Kelly überlegte, was sie sagen sollte. Jetzt musste sie die richtigen Worte finden. "Mrs. Travis, wir wissen ja noch nicht mal, was mit Andy ist. Sie müssen einfach positiv denken und davon ausgehen, dass es ganz harmlos ist. Warten wir erst mal die Blutergebnisse ab. Dann sehen wir etwas klarer." "Wenn ich ihn auch noch verliere, hat mein Leben keinen Sinn mehr. Mein Mann ist schon tot." "Judy, so etwas dürfen sie nicht sagen. Das Leben hat immer einen Sinn. Ich weiß es." "Woher wollen sie das wissen? Gut, sie sind Krankenschwester, aber waren sie schon mal wirklich krank? Ich meine ernsthaft?" "Ja, das war ich. Bevor ich hierher kam. Ich hatte eine schwere Nervenkrankheit. Sie hätte mir fast das Leben gekostet, aber ich habe gekämpft. Und jetzt bin ich hier. Für mich hat das Leben einen Sinn. Und wenn Andy wirklich ernsthaft krank sein sollte, dann heißt es ja noch lange nicht, dass er stirbt."
Tom kam auf sie zu. Er hatte einen Umschlag in der Hand. 'Die Blutergebnisse?' Kelly blickte ihn fragend an. Er konnte diesen Blick deuten und nickte stumm. Sein Blick sagte auch: 'Bitte bleib hier. Du wirst gebraucht.' Es schien wohl sehr ernst zu sein. Judy sah Tom jetzt auch. "Hallo Dr. Callaghan. Ich hoffe sie bringen gute Nachrichten." Sie lächelte. Das Gespräch mit Kelly hatte ihr offensichtlich gut getan. Tom sah sie an. 'Wie soll ich es ihr nur beibringen?' ging ihm durch den Kopf. Er setzte sich neben ihr auf die Bank und nahm ihre Hand. "Mrs. Travis, leider habe ich keine so guten Nachrichten für sie." "Was ist los? Was hat mein Junge?" "Es besteht der Verdacht, dass Andy Leukämie hat." So war es wohl am besten. Warum hätte er lange drum herum reden sollen? "Was? Oh mein Gott. Muss er sterben?" Judy schlug die Hände vors Gesicht. Tränen traten in ihre Augen. Kelly legte die Arme um ihre Schultern. "Das kann man nicht sagen." Tom sprach beruhigend auf sie ein. "Es ist nur ein Verdacht. Andy muss zu genaueren Untersuchungen nach Sydney. Ich habe schon mit Dr. Gates im Royal Central Hospital gesprochen. Am besten wäre, wenn wir morgen sofort herkommen." "Ich muss es Andy erklären, er weiß doch gar nicht, was mit ihm geschieht." sagte Judy. "Tun sie dass. Soll jemand mitkommen?" wurde sie von Tom gefragt. "Nein, ich möchte alleine mit ihm sein." "Wie sie möchten, wir sind in der Nähe, wenn irgendetwas sein sollte."
Judy Travis rang mit Fassung. Wie sollte sie einem 6-jährigen erklären, dass er vielleicht eine schwere Krankheit hatte, die tödlich verlaufen konnte. Sie wusste es nicht, musste aber irgendwie die richtigen Worte finden.
Tom und Kelly blieben noch einen Moment sitzen. "Sie hat es einigermaßen gelassen aufgenommen oder nicht?" fragte Kelly. "Ja, das hat sie. Ist schon komisch, heute morgen erzähle ich dir von meinem Bruder Stanley, der an Krebs starb und jetzt habe ich einen Patienten im selben Alter, der vielleicht auch Krebs hat." "Das ruft sicherlich schmerzliche Erinnerungen hervor." "Als ich die Ergebnisse sah, musste ich sofort an Stanley denken." "Erzähl mir von ihm. Oder willst du nicht gerne darüber reden?" "Doch, ich erzähle dir gerne von ihm. Stanley war ein wunderbarer Junge. Es gab einen großen Altersunterschied zwischen uns beiden." "Woran lag es?" "Nun ja, meine Eltern wollten nach mir noch mehr Kinder, aber es sollte wohl einfach nicht mehr sein. Schließlich wurde Mom aber doch noch schwanger. Mom und Dad waren glücklich, als Stanley geboren wurde. Er war ein sehr aufgewecktes Kind. Immer fröhlich und sehr aktiv, bis er über starke Bauchschmerzen klagte." "Du hast ihn sehr geliebt, nicht wahr?" Kelly hörte ihm aufmerksam zu. "Stanley war das Nesthäkchen und wurde dementsprechend von uns verwöhnt. Als er über Bauchschmerzen klagte, ging meine Mutter natürlich sofort mit ihm zu einem Arzt. Er hatte einen Tumor im Bauchraum. Der Tumor war schon so groß, dass der Arzt ihn mit bloßen Händen ertasten konnte. Man konnte ihn nicht mehr operieren. Stanley hatte schon überall Metastasen. Er hat sehr gelitten. Vier Wochen nach der Diagnose starb er ganz sanft in den Armen meiner Mutter. Es war sehr schwer für meine Eltern, besonders weil Stanley das absolute Wunschkind war." "Haben sie es denn irgendwann überwunden?" Kelly war sehr bestürzt. "Mom und Dad haben es immer behauptet, aber ich habe es ihnen nie abgenommen." "Es ist immer schlimm, wenn das eigene Kind stirbt." "Ja, das ist es bestimmt. Vor allem dann, wenn man es so leiden sieht." "Lass uns reingehen. Vielleicht braucht Judy Travis uns ja." "Ja, lass uns gehen."
 

 

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Flying Doctors: Kampf um ein junges Leben II



"Mami, ich will nicht sterben." Andy blickte seine Mutter traurig an. Sie hatte ihm gerade erklärt, dass er vielleicht schwer krank war. "Ich darf nicht sterben. Was passiert denn dann mit der Farm? Daddy ist doch auch nicht mehr da." "Du wirst nicht sterben." Judy musste ihre Tränen zurückhalten. Er war vielleicht schwer krank, musste vielleicht sogar sterben und seine einzige Sorge war, wie sie auf der Farm zurecht kam. "Du musst nach Sydney. Dort wirst du ganz gründlich untersucht." Sie hatte sich wieder ein wenig gefangen. "Und was machen die da mit mir? Pieksen die mich genauso, wie Kelly das mit mir gemacht hat?" "Ja Andy, das wird man machen. Vielleicht auch noch ein kleines bisschen mehr." "Dann will ich da nicht hin." "Du musst aber dorthin, schließlich willst du doch wieder gesund werden, oder nicht?" "Ja, genau das will ich. Aber warum muss dieses blöde Pieksen immer sein? Ich mag das nicht." "Ach Andy, das gehört nun mal dazu, wenn man krank ist und wieder gesund werden will. So, ich lese dir jetzt noch eine Geschichte vor und dann wird geschlafen, ja?" "Okay, Mami."

"Wann müssen wir Andy nach Sydney bringen?" fragte Kelly, als Tom und sie Feierabend machten. "Also, der Termin bei Dr. Gates ist übermorgen um acht Uhr morgens. Also wäre es das beste, wenn wir ihn morgen Nachmittag schon nach Sydney bringen. Dann kann er sich besser an die Situation gewöhnen. Am besten wäre, wenn du mitkommst. Judy hat Vertrauen zu dir." "Ja sicher, ich komme mit."

Abends dachte Kelly über alles nach, was an diesem Tag passiert war. Sie bezweifelte, ob Judy es verkraften würde, wenn Andy sterben müsste. Vor allem, weil sie erst vor knapp einem Jahr ihren Mann verloren hatte. Sie dachte auch über Tom nach. Er war sehr aufgewühlt gewesen. Es spielte sich vor ihm fast das Selbe ab, wie vor zwanzig Jahren, als sein Bruder starb. Nur, dass er diesmal auf der medizinischen Seite stand und nicht auf der Seite der Angehörigen.
Auch Tom dachte nach. Er grübelte auch darüber, wie Judy es verkraften würde, wenn Andy wirklich Leukämie hätte. Selbst wenn es Leukämie wäre, hätte er eine Überlebenschance, wenn ein geeigneter Knochenmarkspender gefunden werden würde. Er erinnerte sich aber auch an seinen Bruder. Eins war sicher, wenn sie morgen in Sydney landeten und die Übergabe erledigt war, würde er auf jeden Fall seine Mutter besuchen. Egal wie wenig Zeit vielleicht bis zum Rückflug war.

Tom kam zu Andy ins Zimmer. In einer Stunde wollte sie aufbrechen Richtung Sydney. "Na Andy, bist du bereit für einen Flug nach Sydney?" "Ja, bin ich. Aber ich freue mich nicht darauf. Schon wieder fliegen." "Wieso, magst du nicht gerne fliegen?" Tom lächelte ihn an. "Doch, aber ich würde es lieber mögen, wenn ich gesund wäre. Muss ich sterben, Dr. Tom?" "Nein Andy, das musst du nicht. In Sydney finden wir heraus, was genau du hast und dann wirst du wieder gesund." Tom tat es in der Seele weh, ihm diese Halbwahrheit aufzutischen. Aber sollte er ihm unverblümt sagen, dass er vielleicht an einer Krankheit litt, die manchmal tödlich verlief? Das konnte er einfach nicht. Nach diesem Gespräch wurde Andy für den Transport nach Sydney vorbereitet.

Der Flug nach Sydney verlief sehr ruhig. Jeder hing seinen Gedanken nach. Plötzlich sank die Maschine ab. Im Cockpit war ein Warnton zu hören. "Sam, was ist los?" fragte Kelly, die neben Sam saß. "Ein Luftloch?" "Nein, das ist was anderes." Tom kam ins Cockpit. "Was ist passiert, Sam?" "Ich weiß nicht. Irgendetwas stimmt mit dem Motor nicht. Er hat kleine Aussetzer. Schnallt euch bitte an. Wir sind eh kurz vor Sydney. Ich werde eine Notlandung machen müssen." Tom und Kelly sahen ihn alarmiert an. "Keine Panik. Das ist Routine bei einem solchen Vorfall. Reine Vorsichtsmaßnahme." Tom ging zurück auf seinen Platz und schnallte sich an. "Alles in Ordnung, Judy?" Er blickte die etwas bleiche Judy an, die am Kopfende der Trage saß. "Ja, alles in Ordnung. Landen wir bald?" "Ja, wir sind kurz vor Sydney. Schnallen sie sich bitte an." Er sagte ihr nichts von einer Notlandung. Ihre Nerven lagen eh schon blank, dann wollte er sie nicht noch mehr strapazieren. Andy lag seelenruhig auf der Trage und bekam von allem nichts mit. Er schlief tief und fest.
Sam setzte das Flugzeug sicher auf der Landebahn auf. Es wartete bereits ein Krankenwagen, der sie alle zum Royal Central Hospital bringen sollte. "Sam, ich denke, dass wir in ca. vier Stunden wieder hier sind. Meinst du, du findest den Fehler bis dahin?" fragte Tom. Er kalkulierte etwas mehr Zeit ein, da er ja noch seine Mutter besuchen wollte. "Ich hoffe es, ansonsten können wir eine Nacht Aufenthalt nicht ausschließen. Mit den Mechanikern zusammen werde ich es schon schaffen." "Okay Sam, bis später."

Die Fahrt vom Flugplatz zum Krankenhaus dauerte ungefähr zwanzig Minuten. Im Royal Central Hospital wurden sie bereits von Dr. George Gates erwartet. Er ging sofort auf Andy zu. "Hallo, du musst Andy sein. Ich bin Dr. Gates, aber du darfst mich auch Dr. Gonzo nennen." Ein Lächeln huschte über Andys Gesicht. "Das ist lustig." gab er matt zurück. "Warum heißt du so?" "Oh, der Name Gonzo setzt sich aus meinen beiden Vornamen zusammen. Ich heiße George Alonzo. Jetzt suchen wir erst mal ein Zimmer für dich und deine Mutter. Dort kannst du dich ausruhen und morgen machen wir alles weitere, okay?" "Okay." Sie brachten Judy und Andy in ein Zimmer. Anschließend saßen Tom, Kelly und Dr. Gates im Dienstzimmer der Station. "So Tom, dann erzählen sie mir mal alles über Andy. " "Nun ja, wir erhielten einen Notruf von Mrs. Travis, dass Andy bewusstlos sei. Wir brachten ihn nach Coopers Crossing und nahmen dort sofort eine Blutprobe. Es wurde eine erhöhte Leukozytenzahl festgestellt. Daraufhin habe ich sie angerufen." "Ja, wir werden alle nötigen Untersuchungen machen. Sobald ich ein Ergebnis habe, werde ich sie benachrichtigen. Gibt es noch irgendwas zu beachten?" Jetzt schaltete Kelly sich ein. "Wenn sie vielleicht ein bisschen sensibel mit Mrs. Travis umgehen würden, wäre das sehr gut. Sie hat vor knapp einem Jahr ihren Mann verloren und jetzt ist die Angst natürlich groß, dass sie Andy auch noch verliert." "Ja, ich verstehe. Ich werde es in der Akte vermerken, damit jeder darüber Bescheid weiß." "Okay George, wir hören dann voneinander." "Aber natürlich."
"Und, was machen wir jetzt? Wir haben noch ca. drei Stunden Zeit, bis wir zum Flughafen zurück müssen. Warum hast du soviel Zeit eingeplant?" "Wenn ich schon mal in Sydney bin, will ich wenigstens meine Mutter besuchen, auch wenn's nicht für lange ist." "Das finde ich gut. Sie wird sich bestimmt freuen." "Kannst du dich denn so lange beschäftigen?" "Ja, ich kann ja mal auf meiner alten Station vorbeischauen, was meine ehemaligen Kollegen so treiben." "Ja, tu das. Ich hole dich in ca. 1 ½ Stunden wieder hier ab." "Okay, bis später."

Kelly machte sich auf den Weg in den sechsten Stock, wo die Gynäkologie war, auf der sie vorher gearbeitet hatte. Sie ging zielstrebig auf das Schwesternzimmer zu und klopfte an. "Herein!" rief jemand. Kelly öffnete die Tür. Eine Schwester saß mit dem Rücken zur Tür an einem Tisch. "Na, wenn das nicht Megan Douglas ist." sagte Kelly laut, als sie den Raum betrat. Megan drehte sich um. "Ich glaube es nicht. Kelly Marshall, was machst du denn hier?" "Ich wollte euch mal besuchen." "Aber du kommst doch nicht extra nur deswegen hierher, oder? Setz dich." "Danke. Nein, nicht nur deswegen. Wir mussten einen Patienten von uns hier her bringen." Ach so. Sag, magst du einen Kaffee mittrinken?" "Ja, gerne." "Jetzt erzähl mal, wie ist es in Coopers Crossing. Und wie geht es dir überhaupt, nach deiner Krankheit?" "Langsam Meg, das sind so viele Fragen auf einmal. Und außerdem, wo sind denn die anderen alle?" "Nein, das waren nur zwei Fragen. Und die anderen sind alle beschäftigt. Vielleicht siehst du sie ja noch." Kelly lachte. "Okay, gegen dich komme ich so wie so nicht an. Also, in Coopers Crossing ist es sehr schön. Ich liebe es, dort zu arbeiten. Die Kollegen dort sind sehr nett und ich wohne in einem kleinen Haus, das ich gemietet habe. Das Leben dort ist sehr harmonisch." "Und dein Chef? Wie ist er?" "Oh, er ist sehr nett. Er hat mir bei der Haussuche geholfen." "Sieht er gut aus?" "Ja, kann man so sagen." "Dann hätten wir ja den perfekten Mann für dich." "Meg, er ist mein Boss." "Ja und? Das ist ein Grund, aber kein Hindernis." Kelly sah sie scharf an. Bei diesem Blick wusste Meg, dass sie jetzt besser ihren Mund halten sollte. "Okay, ich halte schon meinen Mund. Wie geht es dir sonst? Hast du dich gut von der Krankheit erholt?" "Ja, jetzt geht es mir gut." Kelly erzählt ihr von dem Schwächeanfall, den sie erlitten hatte. Megan erzählte auch viel von der Station, den Kollegen. Zwischendurch schauten immer mal ein paar ihrer ehemaligen Kollegen rein und Meg musste auch immer mal wieder nach Patienten sehen. Sie freuten sich sehr, Kelly einmal wieder zu sehen. Unter anderem lernte Kelly auch ihre Nachfolgerin kennen. Sie merkten gar nicht, wie schnell die Zeit verging. "Meg, ich würde gerne noch länger bleiben, aber mein Boss wartet bestimmt schon auf mich. Wir wollen noch vor Anbruch der Dunkelheit zurückfliegen. Schade, dass die anderen so wenig Zeit hatte, aber es war schön, sie alle wenigstens kurz zu sehen." "Tja, die Station ist momentan voll belegt. Schön, dass du hier warst, Kelly. Mach's gut. Und besuch' uns bald wieder." "Du auch. Kannst mich ja auch mal in Coopers Crossing besuchen. Bye." "Das mach ich. Bye, Kelly."

Nachdem Tom sich mit Kelly abgesprochen hatte, wo sie sich wieder treffen wollten, stieg er in ein Taxi und ließ sich in die Victoria Road im Stadtteil North Parramatta fahren. Als er aus dem Taxi ausstieg und vor dem kleinen Reihenhaus stand, erinnerte er sich sofort an seine Kindheit. Er ging auf die Tür zu und klopfte. Eine überraschte Sarah Callaghan öffnete ihm die Tür. "Thomas, du in Sydney? Komm doch bitte rein. Was machst du hier?" "Hallo Mum." Er umarmte seine Mutter. "Wie geht es dir?" "Oh, mir geht es wunderbar. Magst du einen Tee mit mir trinken?" "Ja, gerne. Ich hab aber nicht viel Zeit. In spätestens einer Stunde muss ich wieder zum Krankenhaus." "Und, was machst du hier?" "Ich musste einen Patienten ins Royal Central einweisen." "Ein schlimmer Fall? Du siehst so besorgt aus." "Ja, es nimmt mich ein bisschen mit. Der Fall erinnert mich an Stanley." Sarah Callaghan sah ihn ernst an. "Und warum?" Sie konnte ganz gut darüber sprechen. "Ein fünfjähriger Junge mit Verdacht auf Leukämie." "Oh Thomas, das ist ja schrecklich." "Ja, es ist besonders schlimm, weil die Mutter alleinerziehend ist. Der Vater ist vor ungefähr einem Jahr bei einem Unfall gestorben." Sarah sah ihn betroffen an. "Lass uns von was anderem reden. Wie läuft es in Coopers Crossing?" "Oh, es ist wunderbar. Seit fünf Wochen haben wir eine neue Krankenschwester." "Und wie ist sie?" "Sie ist nett. Wieso fragst du?" "Ach, nur so." Sarah schmunzelte. "Mum, verbanne den Gedanken sofort aus deinem Kopf." "Welchen Gedanken meinst du? Es war eine ganz normale Frage." "Ich kenne dich Mum. Du hast doch schon wieder die Chance gewittert, mich zu verkuppeln." "Junge, wo denkst du hin? Das würde ich doch nie tun." "Lassen wir das Thema. Erzähl mir von dir. Was ist hier in der letzten Zeit passiert?" Sie unterhielten sich eine ganze Zeit, bis der Zeitpunkt es Abschieds gekommen war. "Ich würde sehr gerne noch länger bleiben, Mum, aber ich muss leider los. Wir wollen noch vor Anbruch der Dunkelheit zurück in Coopers Crossing sein." "Schön, dass du hier warst. Auch wenn es nur kurz war. Komme bitte bald wieder, ja?" "Das mach ich, Mum. Mach's gut. " Seine Mutter umarmte ihn. Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. "Auf Wiedersehen, mein Junge." Als das Taxi losfuhr winkte Tom seiner Mutter zu. Der Besuch hatte ihm sehr gut getan. Irgendwie fühlte er sich jetzt besser. Die Sache mit Andy Travis ging ihm doch ganz schön an die Nieren.

Kelly stand vor dem Krankenhaus und wartete auf Tom. Er war schon fünfzehn Minuten überfällig. 'Er und seine Mutter haben sich bestimmt viel zu erzählen. Dabei werden sie wohl die Zeit vergessen haben.' Kelly hatte diesen Gedanken kaum zu Ende gedacht, als ein Taxi anhielt. Tom stieg aus. "Hallo Kelly! Tut mir leid, das ich so spät bin. Aber ich sollte das nächste Mal vielleicht die Rush Hour mit einkalkulieren wenn ich irgendwelche Zeitpläne in Sydney mache. Ich bin den Verkehr in Sydney einfach nicht mehr gewohnt." "Macht doch nichts. Hätte mir auch passieren können. Dann lass uns mal Richtung Flugplatz fahren." Während der Fahrt zum Flugplatz unterhielten sie sich. "Wie war es bei deiner Mutter?" fragte Kelly. "Es war schön und es tat gut mal wieder mit ihr zu sprechen." "Das glaube ich dir gerne. Das mit Andy nimmt dich ganz schön mit, nicht wahr?" "Ja, das kann man so sagen. Seit wir die Ergebnisse von Andy haben, muss ich immer wieder an Stanley denken." "Es wäre schlimm, wenn du nicht an ihn denken würdest." "Und? Wie war es bei dir?" "Ach, es war schön, alle mal wieder zu sehen, aber ich bin froh, jetzt in Coopers Crossing zu sein. Es ging sehr hektisch auf der Station zu." Den Rest der Fahrt hing jeder seinen eigenen Gedanken nach.

"Und Sam, habt ihr den Fehler gefunden?" fragte Tom als sie in den Hangar kamen, wo die Nomad stand. "Ja, aber es kann dauern bis er behoben ist. Es muss ein Ersatzteil her und das kommt irgendwann im Laufe der Nacht. Der Einbau kostet auch ein wenig Zeit. Also müssen wir irgendwo übernachten. Tut mir leid, Tom." kam die Antwort von Sam. "Tja, da kann man nichts machen. Habt ihr eine Möglichkeit, wo ihr übernachten könnt." Tom sah Kelly und Sam an. "Also ich kann bei einem Freund übernachten." antwortete Sam. "Kelly? Was ist mit dir?" Sie schüttelte mit dem Kopf. Kelly hatte zwar ihre ehemaligen Kollegen in Sydney, aber sie war nie so gut mit ihnen befreundet, dass sie bei ihnen übernachten würde. "Gut, dann kommst du mit mir." sagte Tom. "Und wo übernachtest du?" wurde er von Kelly gefragt. "Bei meiner Mutter." "Aber Tom, das geht doch nicht. Ich werde mir ein Hotelzimmer nehmen." "Doch, das geht. Meine Mutter freut sich bestimmt, dich kennen zu lernen. Ich hab ihr von Dir erzählt. Und außerdem hat sie Platz genug. Es kommt überhaupt nicht in Frage, dass du dir ein Hotelzimmer nimmst." "Aber Tom,...." "Kein Aber. Du kommst mit. Und keine Widerrede." "Na gut, ich gebe mich geschlagen." Kelly ging Richtung Nomad. 'Besser als in irgendeiner Absteige zu schlafen.' dachte sie. "Was hast du vor?" Tom sah Kelly nach, die ins Flugzeug einstieg. "Ich hole meine Tasche." antworte Kelly. "Tasche? Welche Tasche?" "Ich habe für alle Fälle immer eine Tasche im Flugzeug, falls wir mal unverhofft irgendwo übernachten müssen. Kate hat mir den Tipp gegeben." "Das sollte ich mir vielleicht auch mal angewöhnen." 'Vielleicht hat Mom noch irgend etwas von mir bei sich zu Hause liegen, das ich als Pyjama nehmen kann.' fügte er in Gedanken hinzu. "Sam, wann sollen wir morgen wieder hier sein?" "Ich würde sagen um neun Uhr. Bis dahin müsste es auf jeden Fall fertig sein. Soll ich D.J. anrufen oder machst du das?" "Das mach ich. Wir müssen ja die Kliniktour für morgen absagen. Und die Notfälle müssen weiterhin von der Basis in Windoona übernommen werden." "Okay, dann bis morgen früh." Als Kelly zurückkam, stiegen sie in ein Taxi und fuhren Richtung North Parramatta.

"Und deine Mutter hat wirklich nichts dagegen, wenn ich bei Ihr übernachte?" Kelly wollte es genau wissen. Sie wollte sich nicht aufdrängen. "Aber natürlich nicht. Im Gegenteil, sie wird sich freuen, dich kennen zu lernen. Mach dir darüber bitte keine Gedanken." Das Taxi hielt vor dem Reihenhaus. "Dann lass mich wenigstens das Taxi bezahlen." "Na gut, wenn du es unbedingt willst." antwortete Tom, der gerade seine Geldbörse zücken wollte. Kelly bezahlte das Taxi und zusammen gingen sie zur Tür. Tom klopfte ein zweites Mal an diesem Tag an die braune Holztür mit der bunten Fensterscheibe. Wieder sah er sich einer überraschten Sarah Callaghan gegenüber. "Thomas, zweimal an einem Tag? Du verwöhnst mich ja." "Hallo Mom. Können Kelly und ich hier übernachten? Es gibt Probleme mit unserem Flugzeug." "Aber natürlich, kommt rein. Willst du uns gar nicht bekannt machen, Thomas? Wo sind denn deine Manieren?" Tom wurde rot. Er hasste es, wenn seine Mutter ihn so zurecht wies. "Entschuldige Mom. Kelly, das ist meine Mutter Sarah Callaghan. Mom, das ist Kelly Marshall, die Krankenschwester von der ich dir erzählt habe." "Guten Tag, Mrs. Callaghan." "Oh, bitte nennen sie mich Sarah. Dieses "Mrs. Callaghan" macht mich so alt. Ich bin doch erst sechzig." "Okay, Sarah." Kelly fühlte sich sofort wohl. Sarah Callaghan war ihr sehr sympathisch. "Also, was haltet ihr von Abendbrot? Ich bin gerade dabei eine Lasagne zu machen, die bestimmt für drei Personen reicht. Mit einem gemischten Salat dabei reicht es bestimmt." "Ja, gerne. Könnte ich mich vorher vielleicht noch ein wenig frisch machen, Sarah? Ich würde mir auch gerne etwas anderes anziehen." kam von Kelly die prompte Antwort. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie hungrig sie war. Außerdem wollte sie nicht gerne in ihrer Schwesterntracht essen. "Natürlich, ich zeige ihnen das Gästezimmer. Thomas, du kannst ja schon mal mit der Lasagne weiter machen." "Okay, Mom. Aber vorher muss ich noch telefonieren." Er rief in Coopers Crossing bei D.J. an. "Hallo D.J. Hier ist Tom." "Ja Tom, was gibt's?" "Wir können heute nicht zurückfliegen. Der Schaden an der Nomad ist doch größer, als gedacht. Windoona muss weiterhin die Notfälle für uns übernehmen." "Ja Tom, in Ordnung. Hast du eine Ahnung, wann ihr wieder in Crossing seid?" "Ich gehe davon aus, dass wir gegen Mittag wieder da sind." "Okay Tom, dann sehen wir uns morgen in alter Frische." "Ja, bis morgen."
Sarah Callaghan führte Kelly in das Gästezimmer. Ein kleines Badezimmer war direkt daneben. "So, dort ist das Badezimmer. Handtücher finden sie im Schrank unter dem Waschbecken." Sarah ließ Kelly alleine. Kelly hängte ihre Schwesterntracht auf einen Bügel, damit sie nicht kraus wurde. Sie entschied sich für eine schnelle Dusche.
"Sie ist ein nettes Mädchen, Thomas." bemerkte Sarah, als sie die Tomaten für den Salat schnitt. "Ja, das ist sie und sie ist eine gute Kollegin." Tom betonte das Wort Kollegin besonders. Er konnte sich schon denken, worauf seine Mutter hinauswollte. Es war jedes Mal dasselbe, wenn er ihr eine Frau vorstellte. Egal ob Kollegin oder nicht.
Nach der Dusche fühlte Kelly sich sehr erfrischt. Nachdem sie ihre Haare gefönt hatte, schlüpfte sie in eine Blue Jeans und zog sich die zartrosa Bluse an, die sie eingepackt hatte. Als sie aus dem Gästezimmer kam, schlug ihr schon der Duft von der Lasagne entgegen.
Kelly kam in die Küche. "Hmmm, das duftet ja herrlich. Kann ich noch bei irgendwas helfen?" "Nein, Kelly. Sie setzen sich an den Tisch und alles weitere machen wir. Die Lasagne ist fast fertig." "Kelly, was hältst du von einer Flasche Rotwein aus dem Barossa Valley?" wurde Kelly von Tom gefragt. "Ich liebe Rotwein und trinke gerne ein Glas." "Okay, Mom möchtest du auch?" "Ja gerne, Thomas." Tom ging in den Keller und holte ein Flasche. Sarah stellte die Lasagne auf den Tisch und verteilte sie auf den Tellern. "So, lasst es euch schmecken." Nach dem Essen setzten sie sich mit dem Wein ins Wohnzimmer und unterhielten sich noch eine ganze Weile über alles mögliche. Kelly erzählte von ihrer Familie und auch über Stanley wurde gesprochen. Irgendwann verabschiedete sich Kelly, weil sie sehr müde war. Und auch Tom wollte ins Bett. Schließlich mussten sie am nächsten Morgen früh raus.
Am nächsten Morgen kam Kelly frisch geduscht und mit ihrer Schwesterntracht bekleidet aus dem Gästezimmer. Ihre Haare hatte sie zu einem Zopf gebunden. Am Abend zuvor hatte sie ihre Haare offen getragen. Auf dem Flur begegnete sie Tom. "Guten Morgen, Kelly. Hast du gut geschlafen?" "Wie ein Murmeltier. Das Bett ist sehr gemütlich. Und der Wein hat auch noch sein Bestes getan." Tom grinste. Aus der Küche strömte der Duft von frisch gekochtem Kaffee. "Oh schön, Kaffee. Den könnte ich jetzt gebrauchen. Es geht doch morgens nichts über einen guten Kaffee." sagte Kelly "Das hätte von mir kommen können." erwiderte Tom. "Na los, lass uns frühstücken. Mom hat das Frühstück bestimmt fertig." Es gab frische Croissants mit Butter und Marmelade. Kelly genoss das Frühstück richtig. "So Kelly, was meinst du? Wollen wir los?" fragte Tom, nachdem sie zu Ende gefrühstückt hatten." "Ja, gerne." Kelly holte ihre Tasche aus dem Gästezimmer und ging nach draußen. Tom war bereits mit seiner Mutter draußen und hatte ein Taxi bestellt. "Auf Wiedersehen, Mrs. Callaghan. Es hat mich gefreut, sie kennen zu lernen." verabschiedete Kelly sich von Sarah Callaghan. "Ah, ah, was hab ich ihnen gestern gesagt? Sie sollen mich Sarah nennen." kam sofort der Protest von Sarah. Sie lächelte Kelly an. "Entschuldigung Sarah. Auf Wiedersehen." "Auf Wiedersehen, meine Liebe. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder." "Ja, bestimmt." Sarah umarmte Kelly. Dann kam das Taxi und Tom und Kelly stiegen ein. Sie winkten Sarah Callaghan zum Abschied noch einmal zu.
"Wo soll es hingehen?" wurden sie vom Taxifahrer gefragt. "Oh Tom, können wir vorher noch bei Judy und Andy vorbeischauen? Ich würde gerne noch einmal mit Judy sprechen." Tom sah auf seine Uhr. "Ja, wir haben noch genügend Zeit. Dann kann ich auch noch kurz mit ihr sprechen." sagte er zu Kelly. "Bitte zum Royal Central Hospital." wandte er sich an den Fahrer. "Deine Mutter ist eine wunderbare Frau. Du kannst dich sehr glücklich schätzen, sie zu haben." "Ja, ich bin auch sehr glücklich, dass ich sie habe."

Das Taxi hielt am Royal Central Hospital. Sie machten sich auf den Weg zur Kinderstation. Andy war sehr schläfrig, als sie im Zimmer ankamen. "Guten Morgen, Judy. Wie geht ihnen beiden?" fragte Kelly. "Na ja, den Umständen entsprechend. Sie haben Andy bereits in Narkose gesetzt. Man will eine Lumbalpunktion machen. Dr. Gates hat es mir zwar erklärt, als er Andy untersucht hat, aber ganz ehrlich gesagt, habe ich nicht genau verstanden, wozu es gut sein soll." Judy hatte starke Ränder unter den Augen. Anscheinend hatte sie die ganze Nacht kaum geschlafen, weil sie solche Angst hatte. "Das will ich ihnen gerne erklären, Judy." erwiderte Tom. "Bei einer Lumbalpunktion wird ein winziger Tropfen Rückenmarksflüssigkeit entnommen und untersucht. Sie wird vor allem bei Verdacht auf Leukämie angewandt. Bei Kindern wird eine Lumbalpunktion immer unter Vollnarkose gemacht, weil sie meist große Angst davor haben." "Ich habe große Angst, Dr. Callaghan." "Das wissen wir, Judy. Wäre ich in ihrer Lage, hätte ich auch große Angst." Tom drückte Judy einen Zettel in die Hand. "Das ist für sie. Mir hat es schon bei einigen schwierigen Fällen geholfen. Und wenn sie jemals verzweifelt sind, lesen sie sich bitte diese Zeilen durch, ja?" "Ja, das werde ich machen." Kelly kam auf sie zu. "Wir müssen jetzt leider los, Judy. Hier haben sie meine Telefonnummer. Wenn sie irgendwas auf dem Herzen haben, dann rufen sie mich bitte an, ja? Auch wenn es nachts um zwei Uhr ist. Sie müssen darüber sprechen, wenn sie etwas bedrückt." "Danke." Das war das einzige, was Judy sagen konnte. Tom und Kelly waren so nett zu ihr. Sie wusste nicht, was sie sonst sagen sollte. Als Tom und Kelly gingen, wurde Andy zur Lumbalpunktion abgeholt. Judy blieb in seinem Zimmer zurück. Sie nahm Toms Zettel zur Hand. Folgende Zeilen standen dort geschrieben:


Frage niemals warum und wieso,
eine Antwort kann Dir keiner geben.
Heute noch glücklich und froh,
morgen so sinnlos das Leben.
Doch eines, das sei Dir gesagt:
verliere nie den Mut.
Und bist Du auch noch so verzagt,
am Ende wird doch alles gut.

 


Als sie zu Ende gelesen hatte, standen Tränen in ihren Augen. Es war wirklich ein schönes Gedicht. Hoffentlich gab dieses Gedicht ihr den Mut und die Hoffnung, die sie brauchte.

Im Flugzeug: "Was hast du Judy für einen Zettel gegeben?" wandte sich Kelly an Tom. "Es ist ein Gedicht, das meine Mutter verfasst hat, als bei Stanley die Diagnose gestellt wurde." Tom sagte es auf. Er kannte es auswendig. "Das ist wirklich wunderschön." "Ja, ich weiß. Mom hatte die Hoffnung nicht aufgegeben, dass Stanley vielleicht doch gesund wurde. Stanley ist zwar gestorben, aber Mom hat dieses Gedicht sehr geholfen. Auch mir hat es schon bei einigen schweren Fällen geholfen. Und vielleicht hilft es Judy ja auch." "Ja, da gehen wir mal von aus. Ich hoffe nur, das sie klar kommt und das sie mein Angebot wahrnimmt, mich jeder Zeit anzurufen."

Kelly hatte es sich gerade mit einem Salat vor dem Fernseher bequem gemacht, als ihr Telefon klingelte. "Hallo, Kelly Marshall?" meldete sie sich. "Guten Abend Kelly, hier ist Judy Travis. Ich hoffe ich hab sie nicht gestört." "Nein Judy, das haben sie nicht. Ich habe doch gesagt, dass sie jeder Zeit anrufen können. Was bedrückt sie?" "Andy hat nach der Lumbalpunktion solche Schmerzen. Dr. Gates sagte zwar, das sei völlig normal, aber irgendwie glaube ich das nicht so recht." "Judy, das können sie ruhig glauben. Bei dem einen halten diese Schmerzen länger an und bei dem anderen nicht so lange. Immerhin war es ja ein kleiner operativer Eingriff." "Ja, das weiß ich. Aber wenn ich mit ihnen darüber spreche, fühle ich mich sofort besser. Und Andy lässt einfach alles über sich ergehen. Er gibt keine Widerworte, wenn ihm Blut abgenommen wird. Nicht mal ein Jammern kommt von ihm." "Er ist ein tapferer Junge, Judy. Er weiß dass es nötig ist, um wieder gesund zu werden." "Kelly, ich habe große Angst vor dem Ergebnis." "Wann erwarten sie denn das Ergebnis?" "Es soll morgen vorliegen. Ich hab solche Angst, Kelly. Was ist, wenn es wirklich Leukämie ist?" "Sie brauchen keine Angst zu haben, Judy. Es wird bestimmt alles gut. Sie müssen die Ergebnisse abwarten. Und verlieren sie nie den Mut. Wenn sie meinen, dass nichts mehr geht, dann nehmen sie einfach das Gedicht zur Hand, okay?" "Ja, das mache ich. Das Gedicht ist sehr schön. Ich rufe sie wieder an, wenn das Ergebnis vorliegt." "Ja, machen sie das. Morgen bin ich über Tag im Krankenhaus, aber Abends bin ich garantiert zu Hause." "Ich werde mich melden. Danke, dass sie für mich da sind, Kelly." "Danken sie mir nicht, ich bin gerne für sie da." "Wir hören morgen voneinander. Bye." "Bye Judy und schlafen sie gut." Dann hörte Kelly nur noch ein Knacken in der Leitung. Das Gespräch war beendet.

Am nächsten Morgen: Kelly stand an der Rezeption des Krankenhauses und sortierte ein paar Krankenakten. Tom kam um die Ecke. "Guten Morgen, Kelly." "Guten Morgen, Tom. Hast du schon was von Dr. Gates gehört, wegen der Ergebnisse?" "Nein, leider nicht. Hat Judy sich bei dir gemeldet?" "Ja, gestern Abend haben wir miteinander gesprochen. Sie macht sich große Sorgen, was ja auch verständlich ist. Ihre Angst vor dem Ergebnis ist sehr groß." "Ja, das kann ich mir vorstellen." Das Telefon klingelte. Kelly nahm den Anruf entgegen. "Coopers Crossing Hospital, guten morgen?" "Kelly, sind sie das? Hier ist Judy Travis." "Ja Judy, was ist los?" "Die Ergebnisse sind da." Kelly sah Tom an.

Fortsetzung folgt!