"Ist die neue Krankenschwester schon da, D.J.?" Dr. Tom Callaghan kam in die
Zentrale der fliegenden Ärzte in Coopers Crossing. Es war vormittags elf Uhr.
"Nein, sie hat angerufen, dass sie erst um ca. zwölf Uhr hier sein wird. Ihr Bus
hatte Verspätung. Ich hab ihr gesagt, ich würde sie dann abholen." antwortete
D.J., der Funker. "Ist in Ordnung. Ich bin in meinem Büro, wenn irgendwas ist."
"Alles klar, Doc."
'Gott sei Dank, habe ich das jetzt überstanden.' dachte Kelly Marshall. 'Nach
diesen Monaten werde ich ein neues Leben anfangen.' Sie saß im Bus nach Coopers
Crossing. 'Diese Krankheit hat beinahe mein Leben zerstört.' dachte sie wieder.
Ein neues Leben, das war das, was sie wollte. Da kam es ihr ganz Recht, dass sie
die Stelle beim Royal Flying Doctor Service in Coopers Crossing bekommen hatte.
In der Zentrale ging ein Notruf ein. Auf einer Farm hatte es eine Explosion
gegeben, bei der mehrere Personen verletzt worden waren. Dr. Tom Callaghan und
Dr. Chris Randall, die andere Ärztin der Basis in Coopers Crossing, sowie die
Krankenschwester Kate Wellings, mussten mit der Nomad, dem Flugzeug der
fliegenden Ärzte ausrücken. So kam es, dass D.J. total vergaß, Kelly Marshall
vom Bus abzuholen.
Kelly saß mit ihren Taschen an der Bushaltestelle. Sie fuhr sich durch ihre
wilde, dunkle Lockenmähne und sah auf die Uhr. 'Wo bleibt er denn? Er hat doch
gesagt, dass er mich abholen wollte. Na, dann muss ich mich wohl selber auf den
Weg machen.' dachte sie.
Nach einigen Metern hatte sie die Zentrale schon erreicht. 'Na, das war ja gar
nicht so schwer.' dachte sie. Sie ging rein. "Hallo, jemand da?" Niemand war zu
sehen. "Hallo!" Erst nach mehrmaligem Rufen reagierte jemand. "Oh,
Entschuldigung. Kann ich ihnen helfen?" D.J. kam aus dem Abstellraum. "Das will
ich ja wohl stark annehmen, ich bin Kelly Marshall, die neue Krankenschwester."
"Oh verdammt, ich hab' vergessen, sie abzuholen. Es tut mir leid, Miss
Marshall." "Ach, das macht nichts, ich bin ja auch so hier angekommen. Es war ja
nicht zu weit von der Bushaltestelle entfernt. Dann sind sie also Mr. Joanidis.
Schön sie kennen zu lernen." "Oh, bitte nennen sie mich D.J." "Wenn sie mich
Kelly nennen, mache ich das gerne. D.J.? Ist das ihr richtiger Name?" "Nein,
eigentlich Dimitri, aber ich finde D.J. besser." "Ist es hier immer so ruhig?"
"Im Moment ja. Sie sind alle bei einem Notfall. Auf einer Farm hat es eine
Explosion gegeben." "Ach so, schade, ich dachte ich könnte sofort meine neuen
Kollegen kennen lernen." "Das können sie ja nachholen. Was halten sie davon,
wenn ich mit ihnen zum Hotel rüber gehe, wo wir ihnen ein Zimmer reserviert
haben? Dort können sie dann auch etwas trinken und sich ausruhen." "Eine
wunderbare Idee. Ich träume regelrecht von einer Dusche. Aber müssen sie nicht
am Funkgerät bleiben?" "Kein Problem, dafür habe ich dieses Handgerät hier
entwickelt. Ich stelle das Funkgerät auf das Gerät um und ich kann überall
hingehen, so wie jetzt ins Hotel. Kommen sie." D.J. nahm ihre Taschen. Sie
gingen zusammen zum Majestic Hotel, in dem für Kelly ein Zimmer reserviert
worden war, bis sie eine andere Bleibe gefunden hatte.
"Hallo D.J. mein Freund, wie geht es dir?" Victor Buckley, der Besitzer des
Majestic Hotels, das auch gleichzeitig ein Pub war, begrüßte D.J., als er
reinkam. "Wen hast du denn da mitgebracht?" "Vic, darf ich vorstellen, das ist
Kelly Marshall, unsere neue Krankenschwester. Kelly, das ist Victor Buckley, der
Besitzer des Hotels." "Guten Tag Mr. Buckley." "Oh, bitte nennen sie mich Vic.
Wir hier in Crossing sind nicht so förmlich." "Okay,... Vic. Dann nennen sie
mich aber bitte Kelly." "Sie wollen jetzt sicher erst einmal auf ihr Zimmer und
sich ausruhen, sie sehen erschöpft aus." "Wenn ich ehrlich bin, bin ich das
auch. Aber vorher würde ich gerne einen Orangensaft trinken." "Aber gerne. So
ein langer Flug ist sicherlich anstrengend." "Oh, ich bin nicht geflogen, ich
bin mit dem Bus gekommen. Das war etwas billiger für mich." "Ich hole eben
Nancy, meine Frau, die wird ihnen ihr Zimmer zeigen." Vic gab ihr den
Orangensaft und verschwand in der Küche. Nancy Buckley zeigte ihr das Zimmer.
Vorher hatte Kelly mit D.J. abgemacht, dass sie sich abends um halb acht im Pub
treffen wollten, um die anderen Kollegen kennen zu lernen. "So, das ist ihr
Zimmer, ich hoffe es ist ihnen so recht." "Es ist wunderbar. Wo kann ich mich
duschen?" "Das Bad ist am Ende des Flures." "Danke, Mrs. Buckley." "Oh, bitte
Nancy." "Okay, danke Nancy." Kelly duschte und legte sich dann auf das Bett. Sie
war sehr erschöpft. 'Ich habe die Krankheit wohl doch noch nicht ganz
überstanden. Hoffentlich ist es bald vorbei. Aber wenigstens werde ich hier gut
aufgenommen. Die Leute sind so freundlich.' dachte sie. Schließlich schlief sie
ein.
Sie wachte gerade noch rechtzeitig auf, um sich für das Abendessen umzuziehen.
Pünktlich um halb acht war sie unten. D.J. und die anderen waren schon da.
"Guten Abend." begrüßte sie alle. "Oh, guten Abend Kelly. Möchten sie etwas
trinken?" wurde sie von D.J. begrüßt. "Oh ja, einen Orangensaft hätte ich
gerne." "Vic, einen Orangensaft bitte." "Kommt sofort." rief Vic von der Bar
aus. "So, dann stelle ich sie mal den Kollegen vor. Also, diese hübsche, junge
Dame hier ist Kate Wellings. Sie ist neben ihnen die zweite Krankenschwester,
die direkt bei den fliegenden Ärzten angestellt ist. Im Krankenhaus schwirren
dann auch noch einige rum, die aber nicht zum Service gehören. Sie ist übrigens
eine Alteingesessene. Sie ist in Coopers Crossing geboren." "D.J., du bist und
bleibst ein Schmeichler. Hallo Kelly, schön sie kennen zu lernen." Kate gab ihr
die Hand. "Und das hier ist Chris Randall. Sie ist die eine Hälfte unserer
Ärzte." Chris gab Kelly die Hand. "So, und dieser junge Mann hier ist Sam
Patterson, unser Pilot. Und das hier ist Tom Callaghan, die andere Hälfte
unserer Ärzte und gleichzeitig der Chefarzt." "Hallo Kelly. Willkommen im Team.
Tut mir leid, dass ich sie heute Mittag nicht persönlich begrüßen konnte, aber
D.J. hat ihnen bestimmt erzählt, was hier los war." "Ja, hat er. Dafür habe ich
aber vollstes Verständnis." Tom Callaghan war ein gut aussehender Mann. Kurze,
braune Haare und braune Augen. Sein Alter schätze Kelly auf ungefähr dreißig bis
35 Jahre Irgendwie war er genau der Frauentyp. Sie setzten sich an einen der
Tische und bestellten sich etwas zu Essen. "Sie waren am Royal Central Hospital
in Sydney? Ein schönes Krankenhaus. Warum sind sie gegangen?" fragte Kate. "Ich
wollte einfach mal eine Abwechslung. Es war auch alles ein wenig hektisch dort.
Man hatte irgendwie nicht so den Draht zu den Patienten. Deswegen wollte ich
auch gerne nach Coopers Crossing, eine kleine Stadt, man verliert nicht so den
Überblick. Irgendwie habe ich mich in Sydney nie richtig wohl gefühlt, da ich
aus einer kleinen Stadt in Queensland stamme. Und außerdem wollte ich schon seit
dem Ende meiner Ausbildung bei den fliegenden Ärzten arbeiten." "Wollen sie hier
sesshaft werden?" fragte Sam. "Ich denke schon. Aber dann muss ich mich erst mal
nach einem kleinen Haus umsehen. Wissen sie nicht etwas?" "Warum siezen wir uns
eigentlich?" fragte Tom. "Normal duzen wir uns immer sofort, wenn neue Kollegen
kommen. Wenn das für sie in Ordnung ist, Kelly." "Ja klar." Sie stießen darauf
an. "Um noch mal auf deine Frage wegen dem Haus zurück zu kommen. Neben mir ist
gerade ein Haus frei geworden. Es soll glaube ich verkauft oder vermietet
werden." sagte Chris. "Das wäre natürlich super. Aber ich schätze für mich würde
nur mieten in Frage kommen. Kaufen kann ich mir nicht leisten. An wen muss ich
mich denn wenden?" "An das hiesige Immobilienbüro. Ich würde am besten morgen
sofort hingehen." "Ja, warum nicht. Das werde ich machen." Sie unterhielten sich
noch eine ganze Weile. "So, wenn ihr mich jetzt entschuldigen wollt, ich bin
furchtbar müde und möchte jetzt gerne schlafen. Für meinen ersten Arbeitstag
muss ich morgen fit sein." Kelly verabschiedete sich von den anderen. "Ja klar,
geh ruhig. Ich finde, du siehst ein wenig blass um die Nase aus." bemerkte Tom.
"Ach, das kommt von der langen Busfahrt. Ich lege mich jetzt hin und dann bin
ich morgen topfit. Gute Nacht, bis morgen." sagte Kelly. "Ja, wir sehen uns
morgen."
Als Kelly oben war, sah sie sich ihr Zimmer erst mal genauer an. Es war sehr
einfach eingerichtet. Ein Bett, daneben ein Nachtschränkchen und gegenüber dem
Bett war ein Kleiderschrank. Direkt neben der Tür an der Wand stand eine
Spiegelkommode mit einem Stuhl. Es gab auch ein Waschbecken, wo sie sich waschen
konnte. Nur duschen musste sie in einer Gemeinschaftsdusche, aber das Zimmer war
ja auch nur vorübergehend. Wenn sie das Haus neben Chris nehmen würde, hatte
sich dieses Thema auch erledigt. Sie dachte aber auch über ihre neuen Kollegen
nach. D.J. mochte sie sehr gerne. Er hatte immer einen witzigen Spruch auf den
Lippen und hatte sie sehr gut in die Gesellschaft von Coopers Crossing
eingeführt. Kate Wellings war sehr aufgeschlossen und anscheinend auch sehr
beliebt. Aber das lag vermutlich daran, dass sie in Coopers Crossing geboren
war. Über Sam Patterson konnte sie sich noch kein genaueres Bild machen, aber
auch er schien sehr nett zu sein. Er wohnte mit Tom zusammen in einem Haus.
Chris Randall war ein eher ruhiger Vertreter. Aber auch sie machte auf Kelly
einen sehr netten Eindruck. Dann Tom Callaghan. Er war der absolute Traum von
einem Mann. Er sah wirklich umwerfend aus. Kelly zog sich ihren Schlafanzug an
und legte sich hin. Sie schlief bald ein.
'Was für eine Frau.' dachte Tom Callaghan, als er zu Hause in seinem Bett lag.
'Diese Lockenmähne und diese leuchtenden braunen Augen. Und eine Top-Figur.'
Am nächsten Morgen ging Kelly pünktlich zur Zentrale, um ihren ersten Arbeitstag
anzutreten. "Guten Morgen." rief sie, als sie reinkam. "Guten Morgen." rief Tom.
Er war als einziger in der Zentrale. "Ist D.J. noch gar nicht da?" fragte Kelly.
"Nein, er hat verschlafen. Ich habe ihn schon angerufen." "Wieso, seid ihr noch
so lange da gewesen?" "Nein, nur D.J. Chris, Kate, Sam und ich sind kurz nach
dir gegangen. D.J. ist noch dort geblieben und hat mit einigen Leuten noch
richtig Party gemacht. Das müsstest du doch eigentlich gehört haben." "Oh, ich
habe geschlafen wie ein Murmeltier. Ich hab nichts gehört." "Das kann ich mir
vorstellen, dass du gut geschlafen hast. Du sahst gestern sehr erschöpft aus.
Und jetzt bist du auch noch ziemlich blass um die Nase. Meinst du wirklich, dass
es von der langen Fahrt kommt?" "Na ja, das habe ich eigentlich immer, wenn ich
einen Ortswechsel hinter mir habe. Der Stress und so. Das ihr Ärzte doch immer
sofort so besorgt seid." Tom sagte dazu nichts. 'Keiner soll etwas von meinem
Schicksal erfahren. Ich habe es jetzt fast durchgestanden.' dachte Kelly. "Wo
sind denn die anderen? Chris, Kate und Sam?" fragte sie. "Die sind heute morgen
schon früh zur Kliniktour aufgebrochen. Wir sind also so zu sagen alleine. Ich
führe dich heute erst einmal durch das Krankenhaus, damit du dich ein wenig
vertraut machen kannst. Dann kannst du dich auch mit den Schwestern im
Krankenhaus bekannt machen." "Ja, in Ordnung." Tom führte Kelly durch das
Krankenhaus. Sie stellte sich bei den Patienten und den anderen
Krankenschwestern vor, dann war schon der halbe Tag vergangen. "Und, wie gefällt
dir unser kleines Reich hier?" "Super, auf jeden Fall nicht so hektisch wie im
Royal Central Hospital." "Das kann ich mir vorstellen. Willst du heute
eigentlich zum Immobilienbüro gehen?" "Ja, da wollte ich in der Mittagspause
hin." "Okay, ich begleite dich. Und anschließend gehen wir einen Happen essen.
Was hältst du davon?" "Eine gute Idee. Mir knurrt ganz schön der Magen." "Gut,
gehen wir erst ins Immobilienbüro und dann ins Pub." "Ja, warum nicht." Sie
gingen aber erst noch zur Zentrale. "D.J., wir wollen ins Immobilienbüro und
dann ins Pub, etwas essen. Willst du mit?" fragte Tom. "Nein, ich möchte nichts
essen. Ich bleibe heute lieber bei Tee und Zwieback. Gestern Abend war etwas zu
viel des Guten." antwortete D.J. Er hing regelrecht über dem Funkgerät. "Na gut,
D.J. Wenn etwas ist, weißt du ja wo wir sind." "Ja, in Ordnung." Tom und Kelly
sahen sich grinsend an und gingen raus. Als sie draußen waren, mussten sie laut
lachen. "D.J. ging es wirklich nicht sehr gut." sagte Kelly. "Nein, aber er ist
ja für sich selbst verantwortlich." "Ja, das stimmt." Sie gingen rüber zum
Immobilienbüro. "Hallo James." begrüßte Tom den Mitarbeiter. "Hallo, Dr.
Callaghan. Was kann ich für sie tun?" "Oh, für mich gar nichts. Es geht um diese
junge Dame hier. Das ist Kelly Marshall, die neue Krankenschwester." "Guten Tag,
Miss Marshall. Womit kann ich ihnen denn helfen?" fragte James McFadden, der
Immobilienmakler. "Nun, ich interessiere mich für das Haus, das neben Dr.
Randall frei geworden ist. Ich würde es gerne mieten." "Das lässt sich
einrichten. Wollen sie es vorher besichtigen?" "Ja, sicher. Ich will ja nicht
die Katze im Sack mieten." "Sofort?" "Das geht nicht. Ich habe gerade
Mittagspause und muss gleich wieder an die Arbeit." "Wie wäre es heute Abend?"
"Ja, das wäre mir recht. Um acht Uhr?" "Ja, das ist in Ordnung. Wo wollen wir
uns treffen? Beim Haus?" "Ja, gerne." "Also gut, dann bis heute Abend." "Ja, bis
heute Abend." Tom und Kelly gingen wieder raus. "So, das hätten wir." sagte
Kelly. "Ich habe bloß ein Problem. Ich weiß ja gar nicht, wo das Haus ist."
"Kein Problem, ich fahr mit. Ich hole dich um viertel vor acht ab." "Ja, das ist
gut." Sie gingen ins Pub. "Wollen wir uns dort hinsetzen?" fragte Tom. "Ja, ist
mir recht." Sie setzten sich und sahen in die Speisekarte. Dann bestellten sie
ihr Essen bei Nancy. Als sie ihr Essen bekamen ging die Tür auf. "Ah, da hatten
noch mehr Leute die Idee, etwas zu essen." sagte Tom. Es waren Chris, Kate und
Sam. "Ist D.J. gar nicht hier?" fragte Chris. "Nein, er hat einen dicken Kopf.
Er hat hier gestern Abend noch sehr lange gezaubert. Er sagte, er wollte heute
lieber bei Tee und Zwieback bleiben. Hat wohl die Stärke des Weines nicht
erkannt." antwortete Tom. Alle brachen in Gelächter aus. Die anderen setzten
sich zu Kelly und Tom und bestellten sich auch etwas zu essen. "Und Kelly, hast
du es dir schon überlegt, wegen dem Haus?" fragte Chris. "Ja, ich komme gerade
vom Immobilienbüro und habe heute Abend einen Besichtigungstermin." "Schön, wenn
du dich positiv entscheidest, werden wir ja bald Nachbarn sein."
Abends war der Besichtigungstermin. "Nun Tom, was meinst du?" "Also, bei der
Miete und dann dieses Haus, ich würde es nehmen." Das Haus war wirklich nicht
schlecht. Hinter dem Haus war eine Veranda, was ja für die australischen Häuser
typisch war. Es gab einen Garten, der gerade so groß war, dass Kelly sich gut
darum kümmern konnte. Auch die Grundrissaufteilung war sehr übersichtlich. Das
Haus hatte eine große Küche. "Das ist ja eine riesige Küche. Und auch schon
möbliert. Dann brauche ich nicht mal neue Küchenmöbel kaufen. Hier kann ich mich
ja nach Herzenslust austoben. Ich koche doch so gerne." sagte Laura begeistert.
"Schön, dann kannst du uns ja mal einladen." "Das hättet ihr wohl gerne. Auch
sonst ist das Haus in einem Topzustand. Ich brauche nicht mal tapezieren. Und es
reicht völlig aus für eine Person. Ich nehme es. Wann kann ich einziehen, Mr.
McFadden?" fragte Kelly. "Wenn sie wollen, sofort." "So schnell geht es
natürlich auch nicht. Ich habe noch einige meiner Sachen in Sydney in einem
Lager. Ich muss dort anrufen und die Sachen anliefern lassen. Aber ich denke
heute in einer Woche könnte ich einziehen." "In Ordnung, Miss Marshall. Dann
mache ich den Vertrag fertig." Sie besiegelten alles mit einem Handschlag. "Gut,
wenn du dann soweit bist, dass du einziehen kannst, sag Bescheid. Ich helfe dir
dann. Und ich denke die anderen werden bestimmt auch gerne helfen." sagte Tom.
"Ja, in Ordnung. Ich bin euch wirklich sehr dankbar für eure Hilfe."
Die Tage vergingen. Kelly machte ihre erste Kliniktour. Sie fühlte sich richtig
wohl in Coopers Crossing. Von den Bewohnern wurde sie sehr gut aufgenommen. Dann
kam der Dienstag an dem sie in das Haus einziehen wollte. Alle packten
tatkräftig mit an, so dass der Umzug innerhalb eines Tages über die Bühne war.
Sie saßen alle auf der Couch in Kellys Wohnzimmer. "Was haltet ihr davon, wenn
wir jetzt erst mal etwas trinken?" fragte Kelly. "Ja, gerne. Ich könnte ein
ganzes Fass leeren." sagte Tom. "Ich hole etwas." sagte Kelly und stand auf. Sie
schwankte ein wenig. "Ist alles in Ordnung, Kelly?" fragte Tom besorgt. "Ja, ja,
schon gut. War nur ein leichter Schwindel. Das kommt bestimmt von der Hitze
heute." 'Diese verdammte Krankheit verfolgt mich. Wäre ich sie doch nur endlich
los.' dachte Kelly, als sie in die Küche ging. Im Wohnzimmer unterhielten sich
Kate, Chris, Tom und Sam über Kelly. "Meinst du wirklich, dass es nur von der
Hitze ist?" fragte Kate. "Ich weiß nicht, sie war bei ihrer Ankunft schon so
blass. Sie sagte zu mir, dass es vom Ortswechsel kommt. Aber es ist die ganze
Woche noch nicht besser geworden." antwortete Tom. "Wenn du mich fragst, stimmt
irgendetwas nicht mit ihr." sagte Chris. "In Sydney muss irgendwas gewesen sein.
Sie muss irgendwie krank gewesen sein." meinte Sam. "Da könntest du Recht
haben." meinte Tom wieder.
Am nächsten Tag war Kelly im Krankenhaus eingeteilt. Es war sehr viel los.
Zeitweise wusste Kelly nicht wo ihr der Kopf stand. Vermutlich lag es aber auch
an dem heißen Wetter. Bei den Patienten, die schon im Krankenhaus lagen, spielte
der Kreislauf verrückt und es wurden sehr viele Leute eingeliefert, die von der
Hitze einen Kreislaufkollaps erlitten hatten. Auch Kelly ging es nicht sehr gut.
Sie ließ es sich aber nicht anmerken, weil sie ja genau wusste, dass es von
ihrer Krankheit kam. "Was für ein Tag!" sagte Tom, als sie ihren Dienst beendet
hatten. "Das kann man wohl sagen. Man sollte doch eigentlich meinen, dass die
Leute hier an die Hitze gewöhnt sind." Kelly war erschöpft. Sie musste sich ganz
schön zusammenreißen. Am liebsten hätte sie sich auf die nächste Bank gelegt und
geschlafen. "Ja, eigentlich schon. Soll ich dich nach Hause fahren? Du siehst
erschöpft aus." "Nein, nicht nötig. Ich gehe zu Fuß." Tom sah Kelly an, die weiß
wie ein Bettlaken war. "Du fällst doch gleich um vor Erschöpfung." Kelly ging
langsam weiter. "Ich kann doch nicht...." sagte Kelly noch, aber dann gaben ihre
Knie nach. Tom war sofort bei ihr und fing sie auf. Kelly lag ohnmächtig in
seinen Armen. Er tätschelte ihre Wangen, aber sie kam nicht zu sich. Er brachte
sie zurück ins Krankenhaus. Kate lief ihm über den Weg. "Was ist passiert?"
fragte sie. "Sie ist zusammengebrochen. Komm mit in den Behandlungsraum. Du
musst mir helfen." Tom untersuchte Kelly gründlich. "Und, was meinst du?" fragte
Kate. "Ich weiß nicht, Puls und Blutdruck sind leicht erhöht. Ich würde auf
Kreislaufkollaps tippen, aber wenn ich daran denke, wie es ihr die letzten Tage
ging. Dahinter steckt noch etwas anderes. Wir werden wohl warten müssen, bis sie
zu sich kommt." Sie brachten Kelly auf ein Zimmer. Tom setzte sich an ihr Bett
und wartete, bis sie wieder zu sich kam. Nach einer halben Stunde flatterten
ihre Augenlider und sie kam langsam zu sich. "Na, wie fühlst du dich?" fragte
Tom. "Wo bin ich?" "Im Krankenhaus." "Nein, hier bleibe ich nicht. Ich will
nicht schon wieder Patientin sein." Sie wollte aufstehen. Tom drückte sie sanft
in die Kissen zurück. "Schön liegen bleiben. Wieso schon wieder Patientin? Was
ist mit dir los?" "Ist nicht so wichtig." "Das glaube ich doch. Du warst
bewusstlos. So was nimmt man nicht auf die leichte Schulter." "Ich wollte es
eigentlich nicht erzählen, aber es ist wohl besser, wenn ihr es wisst. Bevor ich
hierher kam, war ich schwer krank. Ich hatte das Guillain-Barré-Syndrom." "Guillain-Barré-Syndrom?
Eine seltene Krankheit. Damit habe ich in meinen Jahren als Mediziner noch nicht
zu tun gehabt. Was war der Auslöser und wie hat es sich bei dir ausgewirkt?" "Es
wurde durch Masern ausgelöst. Ich hatte akute idiopathische Polyneuritis (von
selbst aufgetretene Nervenerkrankung). Jeder Nerv und jeder Muskel meines
Körpers war betroffen, und ich war so gut wie gelähmt. Ich litt an Atemlähmung
und war einen Monat an eine Beatmungsmaschine angeschlossen. Die Ärzte hatten
mich schon aufgegeben, aber ich wollte noch nicht aufgeben. Ich habe gekämpft
und konnte bald wieder selbständig atmen. Nach zwei Monaten konnte ich wieder
laufen. Dann war ich einen Monat zur Erholung in Darwin und jetzt bin ich hier."
"Kein Wunder, dass es dir die letzten Tage so schlecht ging. Erst die lange
Reise im Bus, dann der Umzug gestern und diese Hitze. Es muss dir schwer
gefallen sein, zu arbeiten." "Ja, das stimmt. Um ehrlich zu sein, bin ich jetzt
froh, dass ich hier liege." "Versuch jetzt, ein bisschen zu schlafen. Das ist
jetzt das Beste für dich. Im Moment brauchst du einfach nur Ruhe, denke ich. Ich
sehe morgen wieder nach dir."
Kelly schlief die ganze Nacht durch. Am nächsten Morgen machte Tom seine Runde.
"Na, wie fühlt sich meine Patientin?" fragte er. "Schon viel besser. Wann kann
ich nach Hause?" antwortete Kelly. "Jetzt mal ganz langsam. Ich will erst mal
wissen, wie Blutdruck und Puls bei dir aussehen, dann können wir weiter reden."
Er fühlte ihren Puls und maß den Blutdruck. "Na, das sieht ja alles schon viel
besser aus als gestern. Ich würde sagen, heute bleibst du noch hier. Morgen
kannst du dann nach Hause." "Wann kann ich wieder arbeiten?" "Das lassen wir
vorerst lieber noch. Du musst dich erst vollständig erholen. Ich denke so in
drei Wochen können wir wieder über arbeiten reden." "Was?! Drei Wochen? Das
halte ich nicht aus. Ich will endlich wieder vernünftig arbeiten. Aber du hast
ja recht. Ich werde es wohl aushalten müssen."
Am nächsten Tag wurde Kelly entlassen. Jetzt hatte sie viel Zeit, die Stadt und
die Einwohner einmal richtig kennen zu lernen. Das hatte sie in der ganzen
Woche, in der sie dort war, noch nicht geschafft. So lernte sie in den drei
Wochen, in denen sie noch nicht wieder arbeiten durfte, viele Einwohner von
Coopers Crossing kennen. Diese waren zum Beispiel der Polizist Jack Caruthers,
die Mechanikerin Emma Plimpton, der auch die örtliche Autowerkstatt gehörte und
Violet Carnegie. Ihr gehörte der Laden in Coopers Crossing. Tom bestand in
diesen Wochen darauf, dass sie regelmäßig zu ihm zur Untersuchung kam. Er hatte
sich aus Sydney ihre Krankenakte schicken lassen und konnte sich so ein genaues
Bild über ihren Gesundheitszustand machen.
Die Wochen vergingen und Kelly erholte sich sehr gut. Sie durfte endlich wieder
arbeiten. "Na, bereit für die ersten Einsätze nach der Pause?" fragte Tom, als
sie die Zentrale betrat. "Oh ja, ich könnte Bäume ausreißen." "Na, dann auf in
den Kampf. Wir haben eine anstrengende Tour vor uns." Tom und Kelly fuhren
zusammen zum Flughafen.
Fortsetzung folgt!
Januar 2002
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